Unterwegs mit dem Marco Polo: Wie Gott in Schottland

Haben Sie schon einmal etwas von Balquhidder am Ostende von Loch Voil gehört? Oder vom Loch Lomond und dem Trossachs National Park? Wahrscheinlich nicht. Nur wer weiß, dass mit dem kehligen „ch“ ausgesprochenen Wort „Loch“ die Schotten eine Wasserfläche meinen – egal ob See, Fjord oder Bucht – , ist auf der richtigen Spur. Ein Ungeheuer soll beispielsweise im Loch Ness, eine ganze Reihe von Löchern weiter im Norden zuhause sein, jenem Gewässer, das die schottischen Highlands in einen Nord- und einen Südteil trennt. Doch das ist eine andere Geschichte. Hier geht es vielmehr um die Grafschaft Perthshire nordwestlich der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Dort präsentierte Mercedes Benz jetzt die neue V-Klasse Marco Polo.

Die Großraumlimousine soll sich nach der Modellüberarbeitung der V-Baureihe noch mehr als bisher für die Freizeit als kompakter Camper wie für den Alltag als fahrbares Wohnzimmer mit Pkw-Tauglichkeit eignen. Diesem Anspruch wollten wir in einer der atemberaubendsten Landschaften Großbritanniens mit beträchtlichem Anteil einspuriger Straßen auf den Zahn fühlen. Und warum ausgerechnet in Schottland? Im britischen Norden soll ein gewisser Dr. William Gordon Stables schon vor 140 Jahren einen mit allem Drum und Dran ausgestatteten und von Pferden gezogenen Wohnwagen erfunden haben, den Urvater aller Reisemobile. Der Doc soll nämlich von den positiven gesundheitlichen Auswirkungen des Lebens im Freien überzeugt gewesen zu sein.

Mit dem sechs Meter langen, dreieinhalb Meter hohen und einem Meter achtzig breiten Monstrum namens „The Wanderer“ von damals hat der Marco Polo von heute freilich nichts zu tun. Seine Länge misst sogar acht Zentimeter weniger als die der elektrischen Luxuslimousine Mercedes EQS 580 und entspricht exakt dessen Breite. Nur die Höhe mit 1,99 Metern fällt etwas aus dem Rahmen, dennoch passt er damit in die meisten handelsüblichen Garagen und Tiefgaragen.

Die seit 1984 bestehende Mercedes-Baureihe entwickelte sich nach und nach zu einer Vertreterin der Glamping-Mobilität. Diese Wortschöpfung entstand vor einigen Jahren aus dem Zusammenschluss von „Camping“ und „Glamour“ und steht für eine besonders luxuriöse Art von Kampieren in freier Natur. Doch von einem mühsamen Kompromiss zwischen Camper einerseits und Pkw andererseits zu sprechen wäre verfehlt. Der neue Marco Polo befriedigt beide Ansprüche ohne Einschränkungen. Das macht sich auf den schmalen, kurvenreichen und oft recht holprigen Sträßchen Schottlands auf Anhieb positiv bemerkbar.

Touristischer Hotspot

Vom Firth of Forth, dem Meeresarm in der Nähe Edinburghs, führt uns der erste Teil unserer Fahrt zum fotogenen Kenmore in den Highlands. Der kleine Ort steht komplett unter Denkmalschutz und verfügt mit dem 1572 erbauten Kenmore Hotel um die älteste, immer noch im Betrieb befindliche Herberge im Vereinigten Königreich. Inzwischen hat sich das Nest zusammen mit seinem Taymouth Castle, dem nahe gelegenen Loch Tay und den umliegenden Bergen, die mit Höhen von um die 1000 Meter für schottische Verhältnisse nahezu alpinen Charme verbreiten, zum touristischen Hotspot entwickelt.

Weiter geht es über 54 Meilen (knapp 87 Kilometer) über die gut ausgebauten Straßen A85 und A82 zum Kingshouse Hotel zwischen dem Ostende des Glen Coe („Glen“: schottisch für „Tal“) und dem Rand des Rannoch Moores, einem 130 Quadratkilometer großen Feuchtgebiet. Das Hotel ist eine wichtige Zwischenstation auf dem West Highland Way und eine der wenigen festen Siedlungen im Bereich des Moores – für uns ein perfekter Ort zur Rast und dabei den Marco Polo in näheren Augenschein zu nehmen.

Sind wir bisher ausgesprochen angetan vom kinderleichten Umgang mit dem linksgelenkten Fahrzeug während der Reise bei Linksverkehr (die exakte Nähe zum linken Straßenrand stets im Blick), seiner sozusagen mit dem kleinen Finger beherrschbaren Lenkung und der Straßenlage, die keine Wünsche offen lässt, nehmen wir nun die Inneneinrichtung unter die Lupe und fangen mit dem Cockpit an. Fahrerin oder Fahrer blicken auf zwei gut 31 Zentimeter große Displays für Geschwindigkeit, Drehzahl und weitere technische Informationen sowie Radio, Navigationssystem und weiteres, deren Erscheinungsbild sich je nach Geschmack mit drei Stilen und drei Modi individualisieren lässt. Die beiden Vordersitze sind um 140 beziehungsweise 180 Grad (Beifahrerseite) drehbar, so dass sie nach hinten ausgerichtet zusammen mit den beiden Rücksitzen als Wohnzimmersessel funktionieren.

Es gibt links – bei einem Boot wäre es die Backbordseite – eine Küchenzeile mit allem Pipapo, einen Kleiderschrank und eine Reihe praktischer Detaillösungen – von den Stauräumen über Sitz- und Schlafmöglichkeiten bis hin zur Campingausrüstung. Selbst eine Außendusche für eine kurze, freilich notgedrungen sparsame Erfrischung aus dem nur 30 Liter fassenden Wassertank ist erhältlich. Weitere sanitäre Einrichtungen fehlen jedoch. Aber darauf dürften Naturburschen und entsprechende Mädels ab und an verzichten können.

Zwei Betten, eins im Erdgeschoss, das andere unter dem mittels Fernbedienung anzuhebenden Hubdach messen 2,05 (oben) und 2,03 Meter in der Länge und sind jeweils 1,13 Meter breit. Paare müssen sich allerdings sehr lieb haben, wenn sie die Liegen als Doppelbett zum schlafen nutzen wollen. Andere Tätigkeiten in Zweisamkeit sind indes möglich, zumal sämtliche Fenster blickdicht per Schablonen mit Hilfe von Magneten rutschfest verschließen lassen und neugierige Blick von draußen verhindern. Wie auch immer – gerade Schottland würden sich die Kojen als gewaltiger Vorteil herausstellen. Dann nämlich, wenn nach ausgiebiger Probe des einheimischen Lebenswassers „uisge beatha“, vulgo Whisky, in einer der zahlreichen Brennereien angesichts einer Promillegrenze von 0,5 in Schottland vor der Weiterfahrt eine längere Auszeit angeraten wäre.

Die Küche bietet einen zweiflammigen Gaskocher, eine Spüle und eine 40 Liter fassende Kompressor-Kühlbox. Mit einer Temperatur von bis zu minus 18 Grad hält sie sogar Tiefkühlkost kalt. Platz sparend am Kochbereich befindet sich ein Klapptisch, der flexibel vor- und zurückgeschoben werden kann. Er bringt aufgestellt Raum für bis zu vier Personen, eingeklappt verschwindet er senkrecht arretiert neben der Sitzbank.

Magnete für die Kaffeetassen

Eine große und zwei kleinere Schubladen sowie ein Schrank mit Schiebetür verschaffen Töpfen, Geschirr, Gläser und Lebensmittelvorräten einen Unterschlupf. Die kleineren Schubladen lassen sich sogar bei ausgeklapptem Bett öffnen. Dass die Konstrukteure des Marco Polo selbst an winzige, dennoch vernünftige Kleinigkeiten gedacht haben, beweisen die Magnete am äußeren Untergrund der Kaffeetassen. Sie verhindern während der Fahrt geräuschvolles Herumrutschen. Auf ähnliche Weise lassen sich die Moskitonetze für alle Türen und Fenster arretieren. Auch das bewährte sich auf unserem Schottland-Trip, weil trotz Regens und kühlem Wetter blutrünstige Biester höchst aktiv waren.

Apropos Lärm. Für den Camper stehen auf Wunsch drei Vierzylinder-Dieselmotoren zur Verfügung, die für die Ohren kaum als solche erkennbar sind. Es gibt sie in drei Leistungsstufen von 163 PS (120 kW) bis 237 PS (174 kW). Die Top-Motorisierung entwickelt ein maximales Drehmoment von 500 Newtonmetern. Beim Beschleunigen stehen ihr weitere 30 Newtonmeter („Overtorque“) zur Verfügung. 8,8 bis 13,2 Sekunden gehen je nach Leistung bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h vorüber, die Höchstgeschwindigkeit liegt zwischen 192 und 214 km/h.

Alle Varianten sind mit Heck- oder Allradantrieb erhältlich und verfügen serienmäßig über ein neunstufiges Automatikgetriebe, das für schnelle Schaltvorgänge und weiche Übergänge sorgt. Gleichzeitig trägt die Automatik zu vorbildlichen Verbrauchs- und Emissionswerten bei. Der kombinierte Dieselkonsum liegt zwischen 7,5 und 8,7 Litern auf 100 Kilometer, die kombinierten CO2-Emissionen zwischen 197 und 229 Gramm pro Kilometer.

Dass ein Fahrzeug, das in seiner Basisversion mit 70 240 Euro zu Buche schlägt, über eine Vielzahl von Annehmlichkeiten und Assistenzsystemen verfügt, ist selbstverständlich. Für unseren komplett ausgestatteten Testwagen hätten wir übrigens 105.153 Euro auf den Tisch legen müssen. Darin war aber auch ein technologisches Highlight inbegriffen, das für komfortablen Fahrspaß steht: die optionale Luftfederung. Mit dieser lässt sich das Niveau des Autos im Camper-Betrieb auf Knopfdruck regulieren. Ein leicht unebener Boden wird somit ausgeglichen, so dass der Wagen absolut horizontal steht und im Bett eine mögliche Rutschpartie nach vorne oder hinten ausbleibt.

Nach gut 180 Meilen (290 Kilometern) nähern wir uns dem Ziel unserer Probefahrt, dem Monachyle Mhor Hotel in. Diese Bleibe aus dem 18. Jahrhundert inmitten der schottischen Natur ist nur über ein abenteuerlich schmales einspuriges und etwa zehn Kilometer langes Sträßchen immer entlang von Loch Voil erreichbar. Allein diese Strecke mit ihrem Fahrspaß war es neben den übrigen Erlebnissen mit dem Marco Polo wert, die Reise nach Schottland mitsamt der lästigen Brexit-Einreiseprozedur am Flughafen auf sich zu nehmen. Und sollte es je einen Leser nach Balquhidder verschlagen, noch ein Tipp: Wählen sie bei der Rückfahrt den Weg auf der anderen Seite von Loch Voil. Der ist noch unvergesslicher.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Leben wie Gott kann man bekanntlich in Frankreich. Bestens Fahren und Campen wie er könnte man unter anderem in Schottland. Ungeachtet dessen, dass es dort häufig regnet und vorausgesetzt, es stünde ein neuer Marco Polo zur Verfügung. (cen/Hans-Robert Richarz)


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Mercedes-Benz V-Klasse Marco Polo.

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Foto: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz


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