Fahrbericht Alfa Romeo Junior Elettrica 280: Milano sportivo

Alfa Romeo Junior, geborener Milano – so müsste es in seinen Personalpapieren stehen, gäbe es so etwas auch für Autos. Kaum hatte das jüngste Kompakt-SUV der italienischen Stellantis-Tochter Mitte April in Mailand das Licht der Öffentlichkeit erblickt, fuhr ihm Adolfo Urso, Minister für wirtschaftliche Entwicklung in der neofaschistischen Regierung unter Georgia Meloni, in die Parade. Das Auto, so das Argument des populistisch agierenden Ministers, liefe ja gar nicht in Mailand, sondern in Polen vom Band und täusche so mit seinem Namen das Publikum.

Ähnlich stur handelte der völkische Beobachter Urso ein paar Tage später und setzte seinen Kleinkrieg gegen Stellantis mit seiner Vielzahl von Töchtern von Alfa Romeo über Fiat und Opel bis Vauxhall fort, indem er eine Schiffsladung Fiat Topolino in Livorno beschlagnahmen ließ. Das putzige Wägelchen trug nämlich eine winzige italienische Flagge neben dem Türgriff auf der Karosserie. Das passe nicht zu seinem Produktionsort Marokko, so der Minister.

In beiden Fällen gab der Stellantis-Konzern klein bei. Der Topolino verlor seine „trikolore italiano“ mit ihren senkrechten Streifen in Grün, Weiß und Rot und der Milano seinen Namen. Kurzerhand zauberte Alfa Romeo die Bezeichnung Junior aus dem Hut.

Jetzt durften Journalisten das Spitzenmodell des ersten elektrisch betriebenen Fahrzeugs der Marke, den Alfa Romeo Junior Veloce Elettrica 280, erstmals in Bewegung unter die Lupe nehmen. Ausgesucht dafür hatten die Gastgeber das mit sechs Quadratkilometern riesige Testgelände in Balocco nahe der Autobahn Mailand – Turin, das Alfa Romeo 1961 für Serienfahrzeuge und Rennwagen gegründet hatte, Inzwischen stehen hier über 80 Kilometer Straßen unterschiedlichster Qualität zur Verfügung, darunter die „Alfa Romeo“ genannte zentrale Teststrecke, die in vielen Details den in der Formel 1 geltenden Standards entspricht.

So ganz konnte sich Stellantis in seiner Pressemitteilung anlässlich der Einladung nach Balocco ein paar Seitenhiebe auf Minister Urso nicht verkneifen. Ständig tauchte im neun Seiten langen Text der Verweis auf die italienische Herkunft des neuen Autos auf. Ein Beispiel von vielen: „Der Junior 280 Veloce wurde von demselben italienischen Team von Alfa Romeo-Ingenieuren entwickelt, die für Projekte wie 4C, 8C, Giulia Stelvio Quadrifoglio und Giulia GTA verantwortlich waren.“ Kniefall vor Adolfo Urso? Eher weniger. Zwischen den Zeilen war mehr die Überzeugung zu vermuten: „Urso, du hast sie nicht mehr alle.“

Wie auch immer, bei den ersten Versuchsrunden auf der Rennstrecke offenbarte der Junior auf Anhieb seine Qualitäten. Der Wagen ist nicht als Wettbewerbsfahrzeug gedacht, doch wo anders könnte er seine Stabilität besser unter Beweis stellen als in flott gefahrenen Kurven einer waschechten Rennstrecke? Der Mensch am Lenkrad muss schon erheblichen Mut an den Tag legen, bis er das Auto in die Nähe physikalischer Grenzen bringt. Erst dann schiebt der Wagen sanft über alle viere zur Seite, statt zu über- oder zu untersteuern. Dann würde er entweder das Heck nach außen richten oder über die Vorderräder in Richtung Kurvenaußenrand schieben.

Die Verantwortung für diese Gutmütigkeit übernimmt ein neu entwickeltes mechanisches Sperrdifferenzial an der Vorderachse. Es soll dafür sorgen, trotz hoher Leistung durchdrehende Antriebsräder zu vermeiden. Dabei verteilt es das vom Motor gelieferte Drehmoment variabel an die beiden Vorderräder. Droht ein Rad beispielsweise die Bodenhaftung zu verlieren, wird das überschüssige Drehmoment innerhalb von Sekundenbruchteilen zum gegenüberliegenden Antriebsrad geleitet. Die Reifen haben dadurch beim Beschleunigen und in Kurven eine bessere Bodenhaftung. Das Risiko durchdrehender Räder wird minimiert. Vorteile sind unter Last verbesserte Lenkeigenschaften und ein dynamischeres Kurvenverhalten. Die Neigung zum Untersteuern wird minimiert, die zur Stabilität in der Kurve maximiert.

Dass Fahrerin oder Fahrer den Wagen selbst in schwierigen Situationen stets – wörtlich gemeint – gut in der Hand haben, liegt an der direkt übersetzten Lenkung verbunden mit dem um 25 Millimeter tiefer gelegten Fahrwerk. Zusätzlich verhindern verstärkte Stabilisatoren vorne wie hinten eine unangenehme Seitenneigung des Fahrzeugs in schnellen Kurven. Eine gewichtige Rolle dürfte auch die für ein batteriebetriebenes Elektroauto geringe Last spielen die der Alfa Romeo Junior mit sich herumschleppen muss. Sie soll um 200 Kilo niedriger sein als bei vergleichbaren Konkurrenzmodellen.

Fahrspaß, so war in Balocco zu hören, steht beim Junior an erster Stelle. Er soll die „Alfisti“ genannten Fans, die zwischenzeitlich mit der Konkurrenz von BMW oder Audi fremdgegangen sind, wieder mit ihrer Herzensmarke versöhnen. Das macht sich auch im Innenraum bemerkbar. Das Lenkrad ist sportlich-klein, die Sitze sind so geformt, dass sie auch in rasant gefahrenen Kurven guten Seitenhalt bieten, und das Geräuschniveau bleibt zurückhaltend.

Die Armaturen erinnern an einstige Alfa-Modelle, weisen aber moderne Technik auf. In der Mitte des Kombiinstruments liefert ein volldigitaler 10,25-Zoll-Bildschirm (26 Zentimeter Bildschirmdiagonale) Informationen zu den wichtigsten Fahr- und Fahrzeugdaten sowie zu den Einstellungen beispielsweise der Fahrerassistenzsysteme. Der Fahrersitz ist elektrisch verstellbar und mit Massagefunktion versehen. Im Mitteltunnel sind ein Smartphone-Stauraum und zwei Becherhalter untergebracht. Ergänzt wird die Serienausstattung unter anderem durch zwei USB-Anschlüsse in der vorderen Mittelkonsole, ein Soundsystem mit vier Lautsprechern, die elektronische Parkbremse, hintere Parksensoren udn ein berührungsloses Zugangssystem sowie die Klimaautomatik und ein 11-kW-Onboard-Ladesystem.

Die elektronischen Assistenzsysteme gestatten autonomes Fahren auf Stufe 2 (teilautomatisiert). Zur Serienausstattung zählen die aktive Geschwindigkeitsregelanlage, das Kollisionswarnsystem mit autonomer Notbremsfunktion, der Spurhalte- und der Aufmerksamkeitsassistent, die Verkehrszeichenerkennung mittels Kamera hinter der Windschutzscheibe sowie Regen- und Lichtsensoren.

Was die Optik angeht, so gilt er wohl als SUV, passt aber mit seinen bescheidenen Maßen keineswegs in das neuerdings verstärkt spürbare Hassprofil mit Rede von Großstadtmonstern. Er wirkt sympathisch, sein Design ist gelungen. Wie sollte es auch anders sein bei einem Auto, dessen Herkunft aus Mailand stammt, der Stadt der Mode, wo immer noch Künstler wie Georgio Armani den Ton angeben. (cen)

Daten Alfa Romeo Junior Elettrica 280

Länge x Breite x Höhe (m): 4,17 x 1,78 x 1,51
Radstand (m): 2,56
Antrieb: Elektro, FWD, Automatik
Systemleistung: 207 kW/280 PS
Max. Drehmoment: 345 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,9 Sek.
CO2-Emissionen: 0g/km
Leergewicht / Zuladung: 1590 kg / max. 495 kg
Kofferraumvolumen: 400–1256 Liter
Basispreis: 48.500 Euro


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Bilder zum Artikel

Alfa Romeo Junior Elettrica 280.

Alfa Romeo Junior Elettrica 280.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Alfa Romeo


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