Fahrbericht Dacia Spring: Aufgehübschter Volksstromer

Die Anspielung fiel in einem Nebensatz, doch der Adressat war klar. Dacia bietet mit dem Spring das „erste echte vollelektrische Volksauto“, hieß es bei der Neuvorstellung des Mini-Stromers. Während beim Hersteller mit eben diesem Anspruch im Markenamen noch gegrübelt wird, wie sich so ein Elektroauto überhaupt realisieren lässt, hat die rumänische Renault-Tochter mit ihrem chinesischen Partner Dongfeng jetzt bereits eine Neuauflage des günstigsten Vollelektrikers in Europa auf die Räder gestellt – und daran werden wohl auch die beschlossenen EU Strafzölle nichts ändern.

Denn hinter vorgehaltener Hand versichert ein Markensprecher, dass die möglichen 20 Prozent Aufschlag keine Auswirkungen auf die Anschaffungspreise haben werden. Die beginnen aktuell bei 16.900 Euro für die Basisversion Spring Electric 45 in der Essential-Ausstattung und enden bei 19.900 Euro für die stärkere Topversion Electric 65 Extreme. Dazwischen rangiert die Expression-Ausführung, die es mit je 1000 Euro Abstand sowohl mit kleinem wie großem Elektromotor gibt. So entsteht „das erste und einzige Elektroauto unter 20.000 Euro in Deutschland“, wie die Presseabteilung selbstbewusst verkündet.

Äußerlich lehnt sich der im Stil eines Mini-SUV gestaltete, um knapp vier Zentimeter auf 3,70 Meter geschrumpfte Kleinstwagen an den großen Bruder Duster an. Durch die verkürzten Überhänge bei annähernd gleichem Radstand und leicht erhöhtem Dach wirkt das Auto jetzt kompakter. Front und Flanken wurden geglättet, am Heck dominiert der bronzefarbene Dacia-Schriftzug auf einer breiten Schärpe in schwarzem Riffel-Look, die auch die beiden Y-förmigen Rückleuchten integriert. Das sieht selbstbewusst und auch ein wenig offroadig aus. Etwas seltsam und störend wirken dagegen die flächigen Front- und Heckschürzen mit ihrem schwarz-weißem Stadtplan- oder Reifenprofilmuster. Die C-Säule trägt nun ebenfalls eine schwarze Blende, auf der Spring zu lesen ist. In allen Versionen bleibt es bei Stahlfelgen, die es aber immerhin nun auch in 15 Zoll-Größe gibt. Die unnütze Dachreling entfällt, weil der Spring ohnehin keine Lasten tragen darf. Außerdem gibt es zwei neue Lackierungen.

Auch der Innenraum wurde aufgemöbelt – wenn auch leider nicht vergrößert. Nach wie vor hocken Fahrer und Beifahrer auf arg kurz geratenen Sitzen mit wenig Seitenhalt eng beieinander. Dafür gibt es nun endlich ein höhenverstellbares Dreispeichen-Lenkrad, das ersterem eine ergonomischere Sitzposition ermöglicht. Die triste Hartplastiklandschaft wurde durch einige weiße oder bronzefarbene Elemente aufgehübscht. Immerhin gibt es vorn ordentlich Beinfreiheit. Wer das Pech hat, hinten sitzen zu müssen, darf mit Recht sowohl die schmalen Einstiegsluken wie die mangelnde Beinfreiheit beklagen. Längere Fahrten sind damit im Höchstfall noch (kleinen) Kindern zuzumuten. Dafür wächst das Kofferraumvolumen um 18 auf nun 308 Liter – und schrumpft umgeklappt um fast 100 auf 1004 Liter. Optional gibt es unter der Fronthaube auch noch einen 35 Liter großen Frunk für Ladekabel und Zubehör.

Immer an Bord ist jetzt ein digitales 7-Zoll-Farb-Kombidisplay mit variabler Darstellung, ein Mediasystem inklusive USB-C-Anschluss und Bediensatellit am Lenkrad sowie ein Tempomat und eine hintere Einparkhilfe. Ein „E-Shifter“ genannter Stummel-Hebel im Mittetunnel ersetzt den Drehschalter für die Fahrstufen D, N und R, zu denen sich nun auch noch ein B-Modus zur stärkeren Rekuperation gesellt. Ein P für Parken gibt es nach wie vor nicht, weshalb immer noch die manuelle Handbremse gezogen werden muss – wie wir bei einem Foto-Stopp am davonrollendem Wagen erfahren durften. In der neuen, mittleren Ausstattungsversion Expression kommen außerdem Klimaanlage und 15-Zoll-Räder hinzu. Ein Multimediasystem mit 10-Zoll-Touchscreen inklusive Echtzeit-Navigation und drahtloser Smartphone-Integration, Rückfahrkamera sowie der Anschluss für externe Elektrogeräte (V2L) gibt’s erst in der Topausführung Extreme mit der stärkeren E-Maschine.

Auch bei den Sicherheitssystemen hat sich einiges getan – aus gutem Grund. Beim letzten Euro-NCAP-Crashtest fuhr der Spring mit nur einem Stern ein desaströses Ergebnis ein. Verantwortlich dafür waren neben einem mangelhaften Insassenschutz das Fehlen wesentlicher Assistenzsysteme wie einem Spurhalte- und aktiven Notbremsassistenten mit Fußgänger- und Radfahrererkennung, die nun alle ab Werk an Bord sind. Dazu gesellt sich nun außerdem eine Verkehrszeichenerkennung, ein Aufmerksamkeits- und Spurwechselwarner sowie ein Notbremssignal und die e-Call-Notruf-Funktion.

So richtig entspannt ist man in dem kleinen SUV-Stromer dennoch immer noch nicht unterwegs. Oder sagen wir mal so: Es ist schon gut, dass es nach wie vor nur die beiden unveränderten Mini-Maschinen mit 33 kW (44 PS) und 48 kW (65 PS) Leistung gibt. Die sind fürs urbane Umfeld völlig ausreichend, wo sie den Spring zu elektro-typisch spontanem Antritt und flinkem Mitschwimmen im Verkehr animieren. In weniger als vier Sekunden schnellt der stärkere der beiden, der allein für erste Testfahrten zur Verfügung stand, von der Ampel weg auf Tempo 50. Bei weniger als einer Tonne Gewicht braucht‘s halt keine der sonst üblichen Kraftmeier der Elektro-Branche. Und mit gerade mal 9,60 Meter Wendekreis ist auch das Rangieren auf engsten Raum eine Spezialität des rumänisch-chinesischen Stromers.

Kniffliger wird das Ganze, wenn es über Land geht. Vor allem auf feuchtem Belag bekommt der Ausdruck Mitschwimmen in Kreisverkehren schon ab 50 km/h eine ganz neue Bedeutung. Die schwammige Lenkung und der hohe Aufbau wirken hier wie ein eingebauter Tempolimiter. Auf trockenem Untergrund läuft es zwar stabiler, aber längst nicht rund. Das Fahrwerk fühlt sich stuckerig an, jede Unebenheit wird nahezu ungefiltert weitergegeben, während das Auto gute 14 Sekunden braucht, um die 100 km/h zu erreichen. Fast ebenso lange dauert es von 80 auf 120 km/h, womit Überholvorgänge auf der Landstraße wohl überlegt sein wollen. Dabei wird es für einen Stromer ungewöhnlich laut, weil Wind- und Abrollgeräusche in den so gut wie ungedämmten Innenraum dringen.

Auch für das Laden nimmt sich der Spring viel Zeit. Um die nur 26,8 kWh kleine Batterie an der Wechselstrom-Wallbox komplett aufzufüllen, vergehen einphasig mit 3,7 kW geschlagene 8,28 Stunden. An einer Gleichstrom-Schnellladestation geht´s zwar um einiges schneller, doch auch hier braucht es 56 Minuten, um den leeren Akku wieder auf 80 Prozent zu bringen, da der Spring nur mit einer Ladeleistung von maximal 30 kW nuckeln kann. Und das auch nur, wenn man zuvor 600 Euro für den CCS-Anschluss drauflegt, den es nach wie vor nur für die stärkere Version Electric 65 gibt. So oder so, reicht der Saft einer vollen Batterie nur für magere 228 Kilometer, im Stadtverkehr sollen es über 305 Kilometer sein.

Doch um den (journalistischen) Unkenrufen vorzubeugen, hat Dacia die Fahrprofil-Daten seiner bislang 140.000 verkauften Fahrzeuge in Europa ausgelesen. Und die zeigten auf, dass die Spring-Kundschaft im Schnitt nur 37 Kilometer am Tag mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 37 km/h fahre. 90 Prozent aller Fahrten seien dabei kürzer als 70 Kilometer und zu 75 Prozent werde der Wagen zu Hause geladen. Allerdings hatten statistische Mittelwerte gegenüber individuellen Mobilitätsbedürfnissen, ob nun real oder eingebildet, noch nie wirklich Überzeugungskraft. Okay, Langstreckenfahrten mit höherem Tempo sind aus fahrdynamischen Gründen (s. oben) ohnehin nicht angebracht. Aber frostige Winterperioden gibt es auch in der Stadt, und dann kann es auch schon mal knapp werden mit der Reichweite, zumal eine Wärmepumpe selbstredend weder für Geld noch gute Worte zu bekommen ist. Besser man weiß also, wo die nächste Steckdose ist, dann ist man mit den Elektro-Knips auf der sicheren Seite. (cen)

Daten Dacia Spring Electric 65 Extreme

Länge x Breite x Höhe (m): 3,70 x 1,77 x 1,52
Radstand (m): 2,42
Antrieb: Elektromotor, FWD, 1-Gang-Getriebe
Leistung: 48 kW / 65 PS bei 4050–6000 U/min
Max. Drehmoment: 113 Nm bei 500–4060 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 125 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 13,7 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 13,2 kWh
Batteriekapazität: 26,8 kWh
WLTP-Reichweite: 228 km
Leergewicht, inkl. Fahrer (75 kg) / Zuladung: 1050 kg / max. 265 kg
Kofferraumvolumen: 308–1004 Liter
Basispreis: 19.900 Euro


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Dacia Spring.

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Foto: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald


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