Entschleunigen und schlemmen: Mit dem Camper durch Friaul-Julisch Venetien

Es ist Sommer. Die Reise mit dem Wohnmobil, einem Eura Profila 696 EB, soll nach Süden führen: In die Berge und zu den ersten italienischen Stränden auf die man trifft, wenn man von Deutschland aus Richtung Adria aufbricht. Friaul-Julisch Venetien, die nordöstlichste Provinz des Landes, bietet Wanderpfade, Klettersteige und MTB-Trails, ist dennoch bei vielen nur für seine Campingplätze am Meer bekannt, die sich wie an einer Perlenkette aufgereiht von Triest bis Venedig ziehen. Doch der Massentourismus ist nicht jedermanns Sache. Wir beginnen die Fahrt daher gemütlich und kurven durch Südtirol und die Dolomiten in die karnischen Alpen.

Unterwegs treffen wir auf malerisches Bergidyll, aber auch feinste Hardware: Teure Mercedes Sprinter, gerne auch in der Offroad-Variante, obere Mittelklasse von Knaus und Hymer, dazu allerlei Selbstgestricktes mit reichlich investiertem Hirnschmalz. Gering ist die Präsenz der Luxusklasse. Eigenheime auf Rädern in der satt sechsstellig zu bezahlenden Kategorie von Morelo oder Phoenix glänzen hier durch Abwesenheit. Das liegt vor allem an den schmalen Straßen im Gebirge, ohnehin ist das friulanische Hinterland eine eher spät entdeckte Urlaubsdestination der Wohnmobil-Fraktion. Im Norden, wo die Karnischen Alpen bis an den mächtigen Tagliamento, den letzten Wildfluss Europas, heranreichen, gibt es nur wenige Campingplätze. Erst in der jüngeren Vergangenheit haben Landwirte und Winzer die mobilen Gäste entdeckt und eine erkleckliche Zahl von Stellplätzen für Agriturismo eingerichtet.

Führend dabei ist in positiver Sicht das Hotel Willy in Gemona mit einer parkähnlich strukturierten Anlage, in der man direkt neben einer Allee aus Rosenbüschen Quartier beziehen kann. 15 Euro kostet die Übernachtung einschließlich Stromversorgung, Toilettenbenutzung und Duscheinrichtung in einem dafür reservierten Teil des Hotels, wer sich einen Platz auf den weiter hinten gelegenen Stellflächen sucht, hört auch weniger vom nächtlichen Güterzugverkehr auf der naheliegenden Bahnlinie. Die Küche des Hauses ist beeindruckend, die italienischen Klassiker aus Herd und Backofen beherrschen die Maestri di Cucina vollendet, lokale Spezialitäten gehören selbstverständlich zum Repertoire.

Man spricht Deutsch

So wie die Schinken- und Speck-Spezialitäten aus der Ausnahmeregion Zahre. Ein paar Kilometer, vor allem aber Kurven weiter westlich, lebt in alter Tradition am Lago di Sauris auf gut 1300 Höhenmetern ein Völkchen, das Jahrhunderte seine deutschen Sprachwurzeln bewahrt hat. Man wähnt sich tief im Italienischen, da überrascht Martha mit einem „Guten Tag“ und „Was darf ich Ihnen bringen?“. Lardo, der mit Kräutern geräucherte weiße Speck, Schinken, Würste und andere Seeligmacher der fleischverzehrenden Gemeinde werden in kaum zu überbietender Aroma-Vielfalt angeboten. In der Bar al Centro (wie sollte sie anders heißen in einem 500-Seelen-Dorf?) serviert Martha authentische zahrische Gerichte, Wildfleisch, Steinpilze und Polenta, aber auch Kraut, Käse und Canederli sind die tragenden und überaus schmackhaften Bestandteile der alpinen Köstlichkeiten. Dazu liefert der Lago di Sauris (was irgendwie ein wenig nach dem Herrn der Ringe klingt) eine prachtvolle Kulisse und allerlei Fischgerichte, aber auch eine teils einspurige und vor allem eine für großformatige Wohnmobile anspruchsvolle Zu- und Abfahrt.

Ebenfalls für einen Stopp geeignet ist der Campingplatz Lago 3 Communi am Cavazzano See (Via Tolmezzo 52, 33010 Alesso, ab 20 Euro). Wer sich das auf der Karte ansieht, sollte sich nicht irren. Zwar führt die wichtige Nord-Süd-Verbindung, die Autobahn 23 direkt am Camp vorbei, verschwindet aber segensreich in einem Tunnel. Daher ist es ruhig auf dem angenehmen Naturcamping. Ausleihen kann man Paddelboote, SUP-Boards und E-Bikes, der See und die Umgebung locken mit attraktiven Zielen. Ziemlich bunt wird es im Schmetterlingshaus Bordano, wo mehr als 100 Falterarten aus drei Kontinenten durch drei Gewächshäuser flattern. Der Eintritt kostet zehn Euro, der Stellplatz auf dem Campingplatz ist etwas teurer, 28 Euro werden für einen Standardplatz berechnet, für einen Komfortplatz werden 34 Euro fällig.

Pferdeknochen für die Schinkenprobe

Von hier ist es nicht weit nach San Daniele, weltberühmt für seine nussig-süßen Schinken. 31 Erzeuger gibt es in dem pittoresken Städtchen und seinen Vororten, zusammen stellen sie rund 2,7 Millionen Schinken im Jahr ausschließlich mit Meersalz aus Apulien und von italienischen Schweinen her. Dann müssen sie in speziell belüfteten Speichern mindestens acht Monate reifen. Gegen Ende dieser Zeit, so erklärt es Matteo in der Prosciuttificio Battaga, werden sie mit einer aus Pferdeknochen gefertigten Nadel angestochen, die mit ihren feinen Poren eine winzige Probe ermöglicht. Je nach Geruch wird das Stück dann weiter gelagert oder verkaufsfertigt gemacht. Zum Vergleich: in der zweiten Schinkenhochburg Italiens, in Parma, werden etwa sieben Millionen Keulen produziert, die müssen aber nicht mit Meersalz eingerieben werden und auch nicht von heimischem Borstenvieh stammen.

Aber da der Schinken nicht die einzige Spezialität unter den Köstlichkeiten im Friaul ist, außerdem immer mehr bedeutende Kulturfestivals wie etwa in Cividale del Friuli oder den diesjährigen Kulturhauptstädten Europas, Gorizia und Nova Gorizia, veranstaltet werden, nimmt der Strom der Urlauber zu. Mehr als zehn Millionen Touristen haben Friaul-Julisch Venetien 2023 besucht, zehn Prozent mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Die Gäste kommen vornehmlich aus Italien, 4,2 Millionen machen Urlaub in einer ihrer nördlichsten Provinzen. 5,8 Millionen Besucher reisen aus dem Ausland, darunter 1,4 Millionen aus Österreich, 1,8 Millionen aus Deutschland.

Campingplätze im Landesinneren sind eher rar, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Obdach finden die Camper auf Bauernhöfen und Weingütern mit insgesamt 3500 Stellplätzen, die meist als Agriturismo gekennzeichnet sind. Sehr zu empfehlen ist das Weingut Pitars, wo es neben ausgeprägter Gastfreundlichkeit eine Fülle exzellenter Weine zu fairen Preisen gibt (Via Tonello 10A, 33098 San Martino al Tagliamento). Etwas abgelegen ist das Agriturismo Sasso D’oro (Via del Capitel 4, 33090 Solimbergo/Sequals, ab 25 Euro). Dafür werden auch hier eigene Erzeugnisse feilgeboten, empfehlenswert der Succo di Mele, die Apfelplantage liegt in Sichtweite. Ebenfalls nahe dran ist die eigene Landebahn des Camps für Ultralight-Flieger und Paraglider. Kein Wunder, dass sich auf den Stellplätzen oder beim auf Vorbestellung aufgetischten Diner die Gespräche hauptsächlich um das Flugwetter und die Thermik drehen.

Herrlich ruhig und ebenfalls mit einem Pool und sogar einer Sauna ausgestattet ist das Agrioasi (Via Risere 15, 30026 Portogruaro/Summaga, ab 30 Euro), wo unter anderem Hanfsamenöl und Sugo aus eigenen Tomaten angeboten werden. Portogruaro mit seiner quirligen Altstadt ist leicht mit dem Fahrrad zu erreichen, die Einkaufsmöglichkeiten sind vielfältig, das gastronomische Angebot ebenfalls. Auf ein erfrischendes Bad müssen die Gäste auch beim Agriturismo Gelindo dei Magredi nicht verzichten (33090 Vivaro). Hier stehen die Reisemobile mitten zwischen Gemüsebeeten, im angeschlossenen Reiterhof lässt sich das Glück dieser Erde auf Pferderücken erleben und im Restaurant werden aus selbst erzeugten Lebensmitteln traditionelle friulanische Gerichte zubereitet.

Heimat des Tiramisu

Die Menschen sind selbstbewusst. Sie wissen, dass in ihrer Region viele der besten Weißweine Italiens produziert werden, und dass so manche Spezialität vergessenerweise im Friaul-Julisch Venetien erfunden wurde. Das berühmte Tiramisu stammt keines Wegs aus Bologna oder Florenz, sondern aus der Provinzstadt Tolmezzo am Fuße des Plöckenpasses, (mit dem wir später noch ein Erlebnis haben werden). Aber wir machen dann doch einen Abstecher ans Meer, wo der Bio-Betrieb Bilancia di Bepi der frische Fang aus dem Fluss Stella am Rande der Lagune serviert wird. Übersetzt heißt der Begriff Angelwaage, ein überdimensionales Netz wird hierzu ins Wasser abgesenkt, wenn sich das Meeresgetier in ausreichender Zahl drüber versammelt hat, ziehen es die Fischer nach oben.

Zeit für die Rückreise. Und da uns der Schlenker über die Brennerautobahn zu aufwendig ist, die österreichische Tauernautobahn hingegen wegen ihrer Tunnelbaustellen immer wieder mit Blockabfertigung droht, entscheiden wir uns für die Felbertauernstraße, die 13,50 Euro Maut kostet, aber ohne das übliche Pickerl der Alpenrepublik befahren werden darf. Der direkte Weg führt über Tolmezzo, wo man vielleicht etwas Tiramisu probieren könnte, dann geht es über den 1357 Meter hohen Pass. Doch die lange Anfahrt wird nicht von Erfolg gekrönt. Die Strecke ist wegen eines Erdrutschs gesperrt, also zurück und über die zweite, allerdings sehr viel schmalere Verbindung nach Norden, über den Passo di Pramollo, den Nassfeldpass. 1552 Meter ist er hoch und beliebt bei Motorradfahrern, was uns nicht zu ihren Freunden macht. Die Straße ist teils einspurig, vor allem die unbeleuchteten Tunnel sind eng und auch wenn wir immer wieder in Ausweichstellen stoppen, um die schnelleren Biker vorbeizulassen, hält sich die Dankbarkeit in Grenzen.

Dennoch gelangen wir zügig über Kötschach-Mauthen nach Lienz, wo die Alpenquerung beginnt. Rund fünf einhalb Stunden haben wir mit dem Eura Mobil für die knapp 300 Kilometer von Udine nach Kufstein gebraucht, und einmal mehr war der Weg das Ziel. Das Ergebnis der gemächlichen Reise war übrigens ein Treibstoffverbrauch von unter zehn Litern Diesel auf 100 Kilometer und zahllose wundervolle Erinnerungen an die Orte und Landschaften unterwegs, vor allem aber an Friuli Venezia Giulia (so die amtliche italienische Bezeichnung). (cen)


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Bilder zum Artikel

Mit dem Eura Profilia 696 EB durch Friaul-Julisch Venetien: Wohnmobilstellplatz am Hotel Willy in Gemona.

Mit dem Eura Profilia 696 EB durch Friaul-Julisch Venetien: Wohnmobilstellplatz am Hotel Willy in Gemona.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Wohnmobilstellplatz am Hotel Willy in Gemona.

Wohnmobilstellplatz am Hotel Willy in Gemona.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Der berühmte Schinken aus San Daniele: Mit einer aus Pferdeknochen gefertigten Nadel wird eine winzige Probe genommen.

Der berühmte Schinken aus San Daniele: Mit einer aus Pferdeknochen gefertigten Nadel wird eine winzige Probe genommen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Der berühmte Schinken aus San Daniele.

Der berühmte Schinken aus San Daniele.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Schinkenfabrik in San Daniele.

Schinkenfabrik in San Daniele.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Weingut Pitars in San Martino al Tagliamento.

Weingut Pitars in San Martino al Tagliamento.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Landgut Sasso D’oro in Solimbergo.

Landgut Sasso D’oro in Solimbergo.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


BBQ im Agriturismo Sasso D’oro in Solimbergo.

BBQ im Agriturismo Sasso D’oro in Solimbergo.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Agriturismo mit dem Eura Profilia 696 EB in Norditalien: Stellplatz in der Agrioasi in Portogruaro.

Agriturismo mit dem Eura Profilia 696 EB in Norditalien: Stellplatz in der Agrioasi in Portogruaro.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Agriturismo mit dem Eura Profilia 696 EB beim Hof Gelindo dei Magredi in Vivaro.

Agriturismo mit dem Eura Profilia 696 EB beim Hof Gelindo dei Magredi in Vivaro.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Fischnetz zum Hochziehen am Fluss Stella in Norditalien.

Fischnetz zum Hochziehen am Fluss Stella in Norditalien.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger


Am Passo di Pramollo (Nassfeldpass).

Am Passo di Pramollo (Nassfeldpass).

Foto: Autoren-Union Mobilität/Michael Kirchberger