Kommentar: Verstehen die Chinesen nichts von Marketing?

Dem ehemaligen BMW- und VW-Chef Bernd Pischetsrieder wird der Satz zugeschrieben: „Wir bewundern Toyota für die Fähigkeit, qualitativ hochwertige Autos zu einem günstigen Preis herzustellen. Gott sei Dank verstehen die nichts von Marketing.“ Die Einlassung stammt aus einer Zeit, als Toyota gerade den Modellnamen Corolla gegen Auris ausgetauscht hatte und das Unternehmen aus seiner Technologieführerschaft bei Hybrid-Antrieben als idealer Diesel-Alternative einfach kein Kapital schlagen konnte.

Das hat sich mittlerweile geändert: Selbst Toyota weiß heute, wie man sich gut vermarktet, wie der jüngste Verkaufserfolg beweist. Diesen Beweis bleiben die viele chinesische Marken bisher schuldig. Die können zwar gute Elektroantriebe zu einem günstigen Preis bauen. Aber ihr Marketing ist – zum Glück für die heimische Konkurrenz – ein Desaster.

Nun gibt es immer kulturelle Unterschiede zwischen Ländern und Regionen. Japanische und südkoreanische Hersteller mussten das auch erst lernen. Aber das geht nicht über Nacht, es kann Jahre dauern.

Der chinesische Branchenprimus BYD hat mit dem Sponsoring der Euro 2024 einen echten Marketing-Coup gelandet, auch wenn einige Details der begleitenden Kampagne wie der Werbespruch „Nr. 1 von NEV“ eher schmunzeln lassen. Gemeint ist, dass BYD der größte Hersteller von „New Energy Vehicles“ ist, ein Begriff für Elektroautos und Hybride, den außerhalb Chinas niemand kennt. Aber die Sichtbarkeit und Bekanntheit der Marke wurde deutlich gesteigert. Ziel erreicht. Und was macht BYD? Kündigt an, mit Yangwang die nächste Marke nach Europa zu bringen. Zunächst soll ein Luxus-Geländewagen, der U8, unter dem neuen Namen verkauft werden. Anstatt zunächst den Erfolg von BYD auszubauen, gleich die nächste Marke in den Markt schieben? Das dürfte schwerlich funktionieren.

Andere chinesische Hersteller sind ähnlich drauf: Nio und MG planen ebenfalls die Einführung weiterer Namen. Dabei ist es kein Zufall, dass MG die aktuelle erfolgreichste der neuen Player aus China ist, neben Volvo und Smart. Diese Marken haben in Europa eine lange Tradition und eine hohe Bekanntheit. Geely, der chinesische Mutterkonzern, konnte dennoch nicht davon lassen, mit Polestar und Lynk & Co weitere neue Marken einzuführen. Polestar ist unter Führung von Thomas Ingenlath zumindest ein Anfangserfolg gelungen. Mittlerweile hat die Marke jedoch Probleme: Der Absatz stockt. der Börsenkurs ist eingebrochen, die Zukunft ungewiss. Lynk & Co, als reiner Abo-Anbieter gestartet, war von Anfang an ein Schlag ins Wasser: In diesem Jahr (bis Juni) wurden in Deutschland ganze 46 Autos zugelassen. Polestar kommt immerhin auf 2000 Neuzulassungen, auch wenn es vor einem Jahr schon einmal 3000 waren.

Ein Desaster erlebt auch Nio mit gerade einmal 266 verkauften Fahrzeugen bis Juni 2024. Dabei baut das chinesische Start-up ansehnliche, technisch hochwertige Modelle. Leider hat sich die Marke entschieden, nicht mit Händlern zusammen zu arbeiten, sondern die Fahrzeuge direkt im Internet und über ein paar Niederlassungen zu verkaufen. Das kann kaum funktionieren: Es gibt einen Grund, weshalb sich Mercedes gerade von seinen Niederlassungen trennt. Dieser Vertriebsweg ist teuer und wenig erfolgversprechend. Konzernangestellte sind meist keine guten Verkäufer. Und Tesla, ebenfalls ohne Händler unterwegs, ist nur scheinbar der Gegenbeweis: Das Unternehmen ist mit einem Alleinstellungsmerkmal, dem Elektroantrieb gestartet.

Menschen kaufen Autos nach vier Kriterien: Marke, Design, Preis, Technik. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass Volvo (37.000 Autos) und MG (15.000 Fahrzeuge) in Deutschland auf nennenswerte Stückzahlen kommen. Ihre Marken sind bekannt. Da muss man von Marketing gar nicht viel verstehen. (cen)


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Guido Reinking, Chefredakteur des Auto-Medienportals.

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Foto: Autoren-Union Mobilität