Kommentar: Wie Ford in die VW-Falle tappte

Kurzschluss bei Ford: Das US-Unternehmen hat mit Elektroautos im ersten Halbjahr 2,48 Milliarden Dollar (2,23 Milliarden Euro) verloren. Fünf Milliarden Dollar Verlust sollen es im gesamten Jahr werden. Statt großer elektrischer SUV will Ford-Chef Jim Farley in den USA zwei neue elektrische Pick-ups bauen. Die lassen sich kostengünstiger produzieren. In Europa sieht es auch nicht viel besser aus. Ein „Bild“-Interview des ehemaligen Chefs und heutigen Aufsichtsrats der Ford-Werke, Gunnar Herrmann, schlägt derzeit hohe Wellen.

Herrmann klagt darin, die Elektromobilität bekäme nicht genügend politischen Rückenwind. Manche Hersteller verfolgten das Thema eher halbherzig. Das Hin und Her zum Verbrennerverbot verunsichere die Kundschaft.

Gunnar Herrmann ist eher kein in der Wolle gefärbter E-Auto-Fan. Stets war er darauf bedacht, bei den Modellen wie Focus und Fiesta die Fahrfreude nicht zu vergessen. Dass diese Modelle stets auch in PS-starken ST- und RS-Varianten angeboten wurden, war auch sein Verdienst. „Wir dürfen nicht alles verbieten, was Spaß macht“, sagte mir Herrmann vor ein paar Jahren. Unter Herrmanns Ägide baute Ford preisgekrönte Benzinmotoren. Umso erstaunlicher ist sein Plädoyer für das Elektroauto und gegen die alte Verbrennerwelt.

Denn deren Zeiten sind bei Ford vorbei. Der Fiesta ist schon Geschichte, der Focus bald auch. Ford hat das Werk in Köln für zwei Milliarden Dollar völlig auf E-Mobilität umgestellt. Die Fiesta-Produktion im einstmals produktivsten Autowerk Europas wurde schon vor einem Jahr beendet, ebenso die Motorenfertigung, wo unter anderem die Zwölfzylinder für Aston Martin produziert wurden. Derzeit laufen hier mit Explorer und Capri zwei Modelle vom Band, die es ausschließlich batterieelektrisch gibt. Technische Basis ist die MEB-Plattform von VW, in die weder Verbrennungsmotor noch ein Plug-in-Hybridantrieb passen.

Damit hat Ford den gleichen Fehler begangen wie Volkswagen unter Herbert Diess. Im Gegensatz zu anderen Herstellern wie Opel oder BMW hat Ford in Köln alles auf die E-Karte gesetzt – und die scheint nicht zu stechen. Denn der Elektroantrieb tut sich derzeit schwer. Auch VW hat die Fertigung in Zwickau und Brüssel ganz und in Emden größtenteils auf Elektroautos umgestellt. Weil aber die Nachfrage weit unter den Erwartungen bleibt, fallen in den Werken Schichten aus. Brüssel, wo der Audi Q8 e-Tron gebaut wird, steht sogar vor der Schließung.

Dass es auch anders geht, zeigt Opel: Im Werk Rüsselsheim läuft der Astra vollelektrisch, als Plug-in-Hybrid und als leicht hybridisierter Verbrenner vom Band. Der Kunde entscheidet, was er kauft. Und wenn der vor allem Verbrenner und Hybride will – Bitteschön! Ähnlich flexibel ist auch BMW aufgestellt. Das voll ausgelastete BMW-Werk Leipzig baut alle Antriebe, während im VW-Werk Zwickau Stellen abgebaut werden. Denn derzeit gilt: Der Erfolg gehört denen, die flexibel sind.

Für Ford in Köln bedeutet das nichts Gutes: Der erst im Juli gestartete, elektrische Explorer wird bereits mit hohem Preisnachlass angeboten. Derzeit lässt sich der Wagen, Listenpreis ab 45.000 Euro, für unter 300 Euro pro Monat leasen. Eigentlich müsste er über 400 Euro kosten, wollte Ford mit dem Modell auch Geld verdienen. Ein so neues Fahrzeug bereits mit Rabatt anzubieten, das verheißt auch für die E-Mobilität nichts Gutes. (cen)


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Guido Reinking, Chefredakteur des Auto-Medienportals.

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Foto: Autoren-Union Mobilität