Unterwegs mit einem schwäbischen Amerikaner auf der Deutschen Alpenstraße

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV: Genau genommen ist das Auto ein Schwabe mit Migrationshintergrund. Denn erdacht in seiner Stuttgarter Heimat, wird es im US-amerikanischen Mercedes-Benz Werk in Tuscaloosa, Alabama produziert. Dort befindet sich seit 1997 eine Produktionsstätte für große Autos mit dem Stern. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit seinen endlosen Highways fallen sie mit den dort gewohnten Dimensionen kaum auf. Hier zu Lande ist das anders.

Wer diesen Wagen haben will, benötigt nicht nur ein üppig gefülltes Konto, womit er sich beim Kauf viel Platz und Spaß am batterieelektrischem Fahren bei höchstmöglichem Komfort einhandelt. Gleichzeitig muss er jedoch über ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein verfügen und sich mit dem Argwohn berufsmäßiger Querulanten gegen diese Fahrzeuggattung abfinden. Die Deutsche Umwelthilfe spricht von „menschenfeindlichen SUV“, und Jürgen Resch, Geschäftsführer dieser Organisation, wütet voller Hass: „Unsere Innenstädte drohen an den übergroßen Stadtgeländewagen zu ersticken.“

Davon unbeeindruckt bereiteten wir uns vorurteilsfrei auf eine mehrtätige Testfahrt mit dem stattlichen Fahrzeug vor, das zugegebener Maßen allein durch seine schiere Größe Respekt einflößt. Doch haben sich Fahrerin oder Fahrer erst einmal an die Dimensionen gewöhnt, geht selbst kutschieren im dichten Stadtverkehr mühelos von der Hand. Das liegt nicht zuletzt an der Hinterachslenkung mit einem Lenkwinkel von bis zu 4,5 Grad, als Sonderausstattung gibt es sogar eine bis zu zehn Grad. Damit verringert sich der Wendekreis von 11,9 auf 11,0 Meter, wohinter sich so manche Mittelklassewagen verstecken müsste.

Doch mehr als für den Stadtverkehr bietet sich der EQS 450+ SUV als Reisegefährt für die Langstrecke an. Dass er dabei den einen oder anderen Stopp an einer Ladesäule einlegen muss, schmälert das Vergnügen angesichts der guten elektrischen Reichweite nur unwesentlich. Die wird in den technischen Daten je nach Einsatzgebiet mit zwischen 708 und 874 Kilometern angegeben, was aber wohl in den Bereich der Fabel gehört. Ähnlich schummelt die Angabe auf der Instrumententafel. Sie gibt bei einer mit 80 Prozent aufgeladenen Batterie eine Reichweite von 436 bis 510 Kilometern an, bei 100 Prozent gar zwischen 738 und 769 Kilometern. Die Realität sieht anders aus. Doch davon später.

Für die Probefahrt mit dem US-Schwaben hatten wir uns eine besondere Strecke ausgesucht. Wohin zieht es amerikanische Touristen in Deutschland zuerst? Richtig, nach Bayern. Und wo lässt sich der Freistaat der Dirndlträgerinnen und Lederhosenträger mit dem Auto am schönsten erleben? Auf den 484 Kilometern der Deutschen Alpenstraße. Sie berührt als älteste deutsche Ferienstraße zwischen Königssee im tiefsten Südosten der Republik und Lindau im Bodensee im Westen die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Bayerns. Auf kaum einer anderen Strecke lassen sich Landschaft, Kultur und Geschichte des Alpenvorlands intensiver erleben. Die Route der Bayerischen Originale, wie die Deutsche Alpenstraße auch genannt wird, folgt eine Attraktion von Weltrang auf die nächste.

Ob als Startpunkt das schwäbische Meer, also der Bodensee, oder der Königssee in Frage kommt, ist Geschmackssache. Die Strecke ist in beide Richtungen beschildert. Wir wählten die südlichste Gemeinde Deutschlands, nämlich Schönau am Königssee, einen malerischen Ort inmitten der bayerischen Alpen. So hat der Mensch am Lenkrad während der meisten Kilometer stets den besten und freien Blick auf die Füße der Alpen.

Der Königssee ist einer der saubersten und schönsten Seen Deutschlands, eingebettet zwischen den steilen Felswänden des Watzmanns. Damit die Wasserqualität so bleibt, fahren die Touristenboote seit einiger Zeit ausschließlich elektrisch. Das kommt nicht nur dem Wasser, sondern auch dem Echo zugute, das etwa nach halber Fahrtstrecke nach St. Bartholomä den Gästen mit einem Flügelhorn oder einer Trompete an der Echowand demonstriert wird. Motorgeräusche würden da nur stören. Sonntags und besonders bei schönem Wetter ist dort allerdings kein Besucher allein. Zum Glück gibt es Parkplätze en masse.

Von dort lockt auf den ersten Kilometern der Deutschen Alpenstraße das Berchtesgadener Land mit seinem gleichnamigen Nationalpark. Als erster Boxenstopp bietet sich Reit im Winkl mit seiner bekannten Winklmoos-Alm an. Im so genannten Bankerldorf Aschau im Chiemgau laden 200 Sitzbänke zum Verweilen und Entspannen ein. Fahrspaß pur würde die Sudelfeldstraße in Richtung Oberaudorf versprechen. Doch leider war sie wegen Fahrbahnerneuerung zur Zeit unserer Tour gesperrt.

So mussten wir einen Bogen an Schliersee, Tegernsee und Bad Tölz vorbei in flachere Landschaften machen, bevor wir in Garmisch Partenkirchen wieder in hochalpine Gefilde zurückkehrten. Es folgte Oberammergau mit seinen Lüftlmalereien und dem Passionstheater, danach Füssen mit seiner romantischen Altstadt und dem berühmten Schloss Neuschwanstein. Krönender Abschluss in autofahrerischer Hinsicht war schließlich hinter Pfronten der Oberjochpass mit seinen 106 Kurven. Vom Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen führte die letzte Etappe schließlich über Bad Hindelang, Sonthofen, Immenstadt und Scheidegg nach Lindau im Bodensee.

Vor der Rückfahrt ins heimische Köln bot es sich noch einmal an, Fiktion und Realität der Reichweitenprognose zu überprüfen. An der Schnellladesäule eines Fastfood luden wir die Batterie auf 100 Prozent, was bei danach folgender Langfahrt per Betriebsanleitung gestattet ist. Normalerweise liegt die empfohlene Obergrenze bei batterieschonenden 80 Prozent. Jetzt versprachen die Instrumente eine Reichweite von 738 bis 769 Kilometern. Laut Navi lagen zwischen Lindau und der Heimat 581 Kilometer. Die Strecke müsste demnach mit einer Ladung locker zu bewältigen sein.

Pustekuchen. Nach 349, stets mit Richtgeschwindigkeit gefahrenen Kilometern und unter Beachtung aller Geschwindigkeitsbegrenzungen war die Batteriekapazität auf 31 Prozent geschrumpft – für die restlichen 232 Kilometer würde es knapp werden. Deshalb luden wir am Rasthof Spessart an der A 3 nochmal bis auf 80 Prozent auf.

Dennoch – einmal Laden für eine Autobahnfahrt von Bayern ins südliche Nordrhein-Westfalen ist für ein Elektroauto eine reife Leistung. Ganz zu schweigen vom grenzenlosen Luxus, der angenehmen Fahrweise und dem Fahrvergnügen das der Wagen bietet. Und was die Deutsche Alpenstraße angeht, so wird Nachmachen dringend empfohlen. Es muss ja nicht unbedingt mit einem Mercedes EQS 450+ SUV geschehen. Obwohl das wohl eines der größten Vergnügen ist. (aum)

Daten Mercedes EQS 450+ SUV

Länge x Breite x Höhe (m): 5.13 x 1.96 x 1.72
Radstand (m): 3,21
Antrieb: Elektromotor, Hinterradantrieb
Ladekapazität bei DC: 200 kW
Leistung: 265 kW / 360 PS
Max. Drehmoment: 568 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,8 Sek.
WLTP-Reichweite: 708–874 km (Stadt)
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 22,7–18,8 kWh
Leergewicht: mind. 2545 kg
Preis: 110.891 Euro
Testwagenpreis: rund 170.000 Euro


Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.


Bilder zum Artikel

Ladestopp mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV.

Ladestopp mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße: Was im Norden die Leucht- sind im Süden die Zwiebeltürme.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 450+ SUV unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße: Was im Norden die Leucht- sind im Süden die Zwiebeltürme.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mercedes-Benz EQS 450+ SUV in Oberammergau.

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV in Oberammergau.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mercedes-Benz EQS 450+ SUV am Kloster Ettal.

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV am Kloster Ettal.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mercedes-Benz EQS 450+ SUV in Garmisch Partenkirchen.

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV in Garmisch Partenkirchen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mercedes-Benz EQS 450+ SUV in Garmisch Partenkirchen.

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV in Garmisch Partenkirchen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Richarz


Mercedes-Benz EQS 450+ SUV.

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz


Mercedes-Benz EQS 450+ SUV.

Mercedes-Benz EQS 450+ SUV.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mercedes-Benz